PEACH, Chihuahua, weiblich, 1 Jahr alt

Peach wird uns als Notfall im Rahmen des Notfallverbundes am Samstag Nachmittag vorgestellt. Die junge Hündin ist zwar zur Zucht vorgesehen, wurde aber vor gut zwei Monaten ausserplanmässig und deutlich früher als geplant vom Zuchtrüden der Besitzerin gedeckt. Vorabklärungen beim Haustierarzt hatten ergeben, dass Peach mit zwei Föten trächtig ist. Vor etwa drei Stunden hat die Hündin nach kurzen Wehen einen ersten Welpen geboren. Mit dem zweiten bekundet sie mehr Mühe: Die Besitzerin hat beobachtet, dass nach Presswehen zwar die Fruchtblase in der Vulva zu sehen war und das Fruchtwasser abging, anschliessend hat sich der Fötus aber wieder in den Geburtskanal zurückgezogen und die Wehen verschwanden.

Peach

Röntgen

Im Röntgen ist der zweite Fötus in sogenannter Vorderendlage (Kopf gegen hinten) zu sehen. Er erscheint eher gross, andererseits hatte Peach mit der Geburt des ersten Welpen keine grösseren Probleme gezeigt. Der nächste Schritt wäre eine Beurteilung des Föten mittels Ultraschall - je nach dessen Herzfrequenz kann allenfalls noch abgewartet und auf eine natürliche Geburt gehofft werden.

Röntgen

Weiterer Verlauf

Unmittelbar nach dem Röntgen beginnt Peach aber wieder zu pressen - nun ist die Schnauze des zweiten Welpen in der Vulva sichtbar. Doch so sehr sich die Mutter auch abmüht - das Kleine will auch mittels Massage und sanftem Zug schlicht nicht durch die zum Zerreissen gedehnte Scheidenöffnung passen. Noch lebt das Neugeborene - durch den Druck im Beckenkanal, welcher nun die Nabelschnur quetscht und so die Sauerstoffzufuhr beeinträchtigt, ist jetzt aber Eile geboten.

Nach einer Lokalanästhesie bringen wir einen Dammschnitt an - hierbei wird wie beim Mensch die Vulva im oberen Teil eingeschnitten, um den Geburtskanal zu erweitern. Nun endlich gelingt es problemlos, durch Zug und leichte Rotation des Neugeborenen und unterstützt von den Presswehen den zweiten Welpen zur Welt zu bringen. Schnell wird die Fruchtblase geöffnet und das Tier abgenabelt - erfreut stellen wir fest, dass das Kleine sofort zu atmen beginnt und die Mutter es trocken leckt. Nun entfernen wir auch die Nachgeburt aus dem Geburtskanal und nähen den Dammschnitt. Kurze Zeit später können wir die frischgebackene Mutter mit ihren beiden hungrigen und sehr lebendigen Neugeborenen wieder nach Hause entlassen.

Dammschnitt

Wissenschaftliches

Wie beim Menschen kann es auch beim Tier zu Geburtsproblemen kommen. Risikofaktoren für eine Schwergeburt können zB die Rasse des Hundes, Grösse des Wurfes oder Alter und Grösse der Mutter darstellen. Chihuahuas weisen aufgrund des verhältnismässig grossen Kopfes häufiger Geburtsprobleme auf als der Durchschnittshund; bei kleinen Würfen werden die Föten bis zum Geburtstermin auch eher etwas grösser als bei mittelgrossen Würfen. Wenn die Mutter sehr jung und möglicherweise noch nicht gänzlich ausgewachsen ist, kann der ungeborene Welpe ebenfalls zu gross für den Geburtskanal sein. Kann die Mutter nicht auf natürlichem Weg gebären, kann ein Kaiserschnitt nötig sein. Im Gegensatz zum Menschen muss beim Tier die Operation aber unter Vollnarkose erfolgen - entsprechend liegen die Neugeborenen ebenfalls in Narkose, was einen Risikofaktor darstellt. Die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts muss entsprechend jeweils sorgfältig abgewogen werden.

Sehr aussergewöhnlich bei Peach war, dass der zweite Welpe nicht wie üblich aufgrund eines zu engen Beckenkanals (der Welpenkopf passt nicht durch das Becken der Mutter) sondern aufgrund einer relativ zu kleinen Scheidenöffnung an der Geburt gehindert wurde. Der Dammschnitt wird beim Menschen häufig angewendet und war auch bei Peach die rettende kleine Operation; beim Hund ist diese Intervention aber sehr selten nötig.

Als Alternative zum Dammschnitt hätte der Welpe wieder in die Gebärmutter zurückgeschoben und dann per Kaiserschnitt geboren werden müssen - was aufgrund der erwähnten involvierten Risiken keine gute Therapieoption gewesen wäre.

© Dr. med. vet. P. Müller / Lyssbachvet

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